Fachkräftemangel & ungenutztes Potenzial: Warum Vereinbarkeit jetzt zur HR-Strategie wird
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Der deutsche Arbeitsmarkt steht unter Druck: Nach aktuellen Erhebungen kämpfen Unternehmen mit einer zunehmenden Anzahl unbesetzter Stellen und gleichzeitig einer großen Zahl potenzieller Arbeitskräfte, die bislang nicht vollständig im Erwerbsleben eingebunden sind.
1. Fachkräftelücke im Überblick
Laut der Studie zum Fachkräftemangel 2024 der ManpowerGroup berichten 82 % der deutschen Arbeitgeber, dass sie Schwierigkeiten haben, offene Stellen mit passenden Fachkräften zu besetzen.
Eine Prognose des Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht bis 2027 einen Mangel von rund 728.000 Fachkräften in Deutschland voraus.
Im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in anderen Engpassberufen fehlen aktuell laut dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) ca. 532.000 Fachkräfte im Zeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024.
2. Ungenutztes Arbeitskräftepotenzial („Stille Reserve“)
Das Statistisches Bundesamt weist für 2023 fast 3,2 Mio. Menschen (im Alter 15-74) aus, die zwar Arbeit wünschten, aber nicht aktiv erwerbstätig sind oder kurzfristig verfügbar waren.
Ein nicht unerheblicher Teil dieser Gruppe sind Frauen mit Betreuungs- oder Pflegeverpflichtungen – ein Potenzial, das HR strategisch nutzen kann.
3. Verbindung zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Für HR-Verantwortliche bedeutet diese Situation: Es reicht nicht mehr, Fachkräfte nur zu gewinnen – die Rahmenbedingungen der Arbeit müssen so gestaltet sein, dass gerade Mitarbeitende mit familiären Verpflichtungen (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen) zuverlässig eingebunden werden können. Eine Unternehmenskultur, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ernst nimmt, wird damit zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.
Warum HR den Fokus auf Vereinbarkeit legen sollte
Bindung von Mitarbeitenden
Flexible Arbeitszeit- und Teilzeitmodelle, die Familien- und Lebensrealitäten berücksichtigen, sind ein starkes Instrument, um Mitarbeitende zu halten und zu motivieren.
Erweiterung des Fachkräftepools
Wer Teilzeit sinnvoll gestaltet oder Mitarbeitenden mit Betreuungs- und Pflegeaufgaben Raum gibt, erschließt zusätzliche Ressourcenschichten, die bislang nicht voll genutzt wurden. So wird aus der „Stillen Reserve“ ein aktiver Beitrag zur Fachkräftesicherung.
Arbeitgeberattraktivität steigern
Unternehmen, die Vereinbarkeit glaubwürdig leben, positionieren sich als attraktive Arbeitgeberin – insbesondere für jene Zielgruppen (z. B. Mütter, pflegende Angehörige, Generation Y/Z), die zunehmend Wert auf Work-Life-Balance und die Möglichkeit Beruf, Familie und Privatleben zu vereinbaren legen.
Was HR konkret tun kann
1. Status-Quo ermitteln
Mit dem Vereinbarkeitsindex lässt sich schnell und effizient messen, wie gut Mitarbeitende die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Unternehmen tatsächlich erleben – über eine kurze Befragung aller Mitarbeitenden.
2. Handlungsfelder identifizieren
Die Ergebnisse zeigen auf: Wo sind Anpassungen nötig? Z. B. bei Teilzeitmodellen, flexiblen Arbeitszeiten, Führungskultur oder Familien- und Pflegezeiten.
3. Maßnahmen einleiten
Beispiele:
Einführung personalisierter Teilzeitmodelle, die auf Lebensphase und individuelle Situation eingehen.
Sensibilisierung von Führungskräften für familienbewusstes Führen.
Kommunikation von Rahmenbedingungen und Angeboten der Vereinbarkeit transparent über alle Kanäle.
4. Wirkung messen
Durch Wiederholung der Befragung lässt sich nachverfolgen, ob Maßnahmen greifen – z. B. ob Fehlzeiten sinken, Bindung steigt oder Teilzeitkräfte häufiger gewählt werden.
Fazit: Vereinbarkeit ist kein Soft-Benefit – sondern strategischer Hebel
Der Fachkräftemangel verschärft sich – und gleichzeitig liegt ein großes, bislang ungenutztes Potenzial bei Menschen mit familiären Verpflichtungen. Für HR heißt das: Wer Vereinbarkeit nicht integrativ denkt, verpasst eine zentrale Stellschraube für Produktion, Motivation und Bindung.
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